Journal für Orgel, Musica Sacra und Kirche

                   ISSN 2509-7601







Tod mit Aussicht - Ungeordnete und noch ausstehende Einsichten zu einer womöglichen Perspektive

Jedes Jahr mache ich mir - meist zur Fastenzeit oder zumindest in der Passionszeit - abgrundtiefe Gedanken darüber, was es denn mit der Auferstehung so auf sich hat. Da die katholischen Sozialisationsbemühungen sehr darauf bedacht waren, das Phänomen des leeren Grabes stark zu betonen (man denke an das Münsteraner Osterlied "Das Grab ist leer, der Held erwacht"), vermag ich es kaum, die diesbezügliche Beschäftigung bei derlei Bemühungen auszublenden. 

Jegliche Lektüre ließ mich in den vergangenen Jahren schlussendlich ratlos zurück. Die Tatsache, dass es sich um ein exponiertes Thema handelt, an dem Grundsätzliches des Christentums deutlich wird, macht meine Frustration vielleicht etwas verständlicher. Mittlerweile vertage ich den erhofften Erkenntnisgewinn auf die Zeit nach meinem offensichtlich statistisch berechenbaren Dahinscheiden.

Nun aber zum Sachlichen. Und diese Ebene kann mit folgender Tatsache schwergewichtig eröffnet werden: Im Credo hat das leere Grab keinerlei Platz. Dass man nach der Inaugenscheinnahme der Ostergesänge des Gesangbuches Gotteslob auch heute noch einen anderen Eindruck haben kann, steht auf einem ganz anderen Blatt, dessen Rückseite hier nun nicht das Thema sein kann.

Fakten zum Spannungsfeld: Auferstehung und leeres Grab

1. Die Erscheinungen Jesu nach seinem Tod sind konstitutiv für den theologischen Auferweckungs- und christologischen Auferstehungsglauben.

2. Von Paulus stammt das erste Auferweckungszeugnis (1Kor 15,3b-5); es spricht explizit von einem für einen Hingerichteten nicht selbstverständlichen Begräbnis.

3. Ein leeres Grab erwähnt Paulus an keiner Stelle in seinem Opus.

4. Die Erzählungen vom offenen/leeren Grab erscheinen im kerygmatischen Gewande und zeichnen sich durch Widersprüchlichkeiten aus.

5. Alleinige Bezeugungen eines leeren Grabes führen eo ipso nicht zum Glauben an den Auferstandenen.

Karl Rahner hatte das alles bereits recht griffig und redlich zugleich mit seinem Diktum auf den Punkt gebracht: "Das leere Grab ist eher als Ausdruck einer schon aus anderen Gründen verbreiteten Überzeugung zu werten, dass Jesus lebt."

Stolpersteine

Regelmäßig stolpere ich jedoch über einen Passus bei Gerd Häfner, der dieses inhaltliche Wimmelbild logisch virtuos ordnet und zusammenfasst, mich gleichwohl ratlos zurücklässt (s. Link Nr. 3/lectiobrevior):

"Muss man die Auffindung des leeren Grabes aber dennoch annehmen, weil sich die Christusverkündigung in Jerusalem nicht hätte halten können, wenn man auf den Leichnam Jesu im Grab hätte verweisen können? Muss deshalb das leere Grab bekannt gewesen sein?"

Die im Raume stehende Argumentation, dass das Interesse an einer (späteren?) Inspektion des womöglich bekannten Grabes die Erscheinungen des Auferstandenen sozusagen entwertet hätten und wegen möglicher Manipulation zudem wertlos gewesen wäre, empfinde ich als nicht maßgeblich bedeutsam. Innerhalb der anthropologischen Vorstellungswelt des Frühjudentums hätte man meines Erachtens für diese Art der Neugierde Verständnis gehabt. (Mir ist bewusst, dass es sich diesbezüglich um ein hochkomplexes Spannungsfeld handelt. Siehe z.B. die folgenden Seiten bei Hubert Frankemölle: Frühjudentum und Urchristentum, Stuttgart 2006)

Dem Inhalt der Sätze Häfners "Es hatte also niemand Veranlassung, das Grab zu öffnen. [...] Das Grab Jesu blieb geschlossen"
(s. Link Nr. 3/lectiobrevior) mag ich nicht so wirklich Glauben schenken. Davon unberührt bleibt die exegetisch unstrittige Feststellung, dass das leere Grab schlichtweg keinen Ausgangspunkt für den Osterglauben darstellte.

Ab wann war das (offene und leere) Grab von erhöhtem Interesse? 

Meine Fragestellung ist: Soll der Ort des (leeren) Grabes Jesu in Jerusalem erst im Jahre 325 angesichts der Pilgerreise der Mutter Kaiser Konstantins nachhaltiges Interesse gefunden haben, obwohl (in der Nachfolge der konstitutiven österlichen Erscheinungen) die Narrative bereits viel früher in Umlauf waren?

Thomas Söding tröstet mich im Desaster meines kognitiven Ungleichgewichtes auch nicht wirklich mit seinen Ergebnissen, die mir doch auffielen:

"Wenn das Grab aber bekannt gewesen ist, muss es auch als leeres Grab bekannt gewesen sein." (s. Link Nr. 4/S. 2)

"Zwar kann nicht zwingend behauptet werden, dass jede denkbare Auferstehungsvorstellung ein geöffnetes leeres Grab voraussetzt, wohl aber gerade die Auferstehung Jesu, die mit Erscheinungen des Erhöhten verbunden ist." (s. Link Nr. 4/S. 7)

Die geneigte Leserschaft mag sich anhand der folgenden dialektischen und somit hoffentlich zielführenden Verlinkungen thematisch vertiefen und glückvoller konkludieren, als ich es vermag. Das Einzige, was mich derzeit wirklich tröstet, ist die Tatsache, die ich bereits nannte: Im Credo hat das leere Grab keinerlei Platz.  (mpk - Januar 2019)

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"Historisch-kritische Methode darf fragen und hat durch die konsequente Fragerei die Theologie bereichert. Und viele Antworten, die man neu suchen muss, sind Antworten auf Fragen, die seit fünfzig oder hundert Jahren im Raum stehen."

(Prof. Klaus Berger im Bibel-TV-Interview, veröffentlicht bei YouTube am 04.02.2014, siehe 26:33)

https://books.google.de/books?id=0llrAgAAQBAJ&lpg=PP1&dq=inauthor%3A%22Klaus%20Berger%22&hl=de&pg=PT55#v=onepage&q&f=false

                                                                                                                         

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