Journal für Orgel, Musica Sacra und Kirche

                   ISSN 2509-7601   

                                                                          

         

                                                                                                              

Angst vor dem Regensburger "Episcopator"? - Ein paar launige Gedanken zu Gerhard Ludwig Müllers neuer leitender Tätigkeit in der Röm. Glaubenskongregation

Die sich vermutlich dem reüssierenden Vulgär-Katholizismus anheischig machende Gloria von Thurn und Taxis wird angesichts der genannten Nachricht mit folgenden Worten zitiert: "Die Berufung ist eine große Wertschätzung der Person des Bischofs als Theologe. Wir Regensburger sind sehr, sehr traurig, dass er geht. Wir hatten in ihm einen großen Bischof, der auf der ganzen Welt hohes Ansehen genießt, aber wer ihn liebt, der gönnt ihm diesen Sprung nach Rom an die Seite des Papstes."

Wenn wir uns schon im Genre gefühlter peinlichster Servilität aufhalten: Müllers ultra-montane Ergebenheit hat sich als zielführend erwiesen. In Rom kann er sich  nun abermals einer neuen beruflichen Tätigkeit widmen. Sein Werdegang vom renommierten Universitätsgelehrten zum überfordert wirkenden und doch zugleich subjektiv als machtverliebt empfundenen Bischof hat jetzt in der Funktion des Römischen Glaubenswächters der katholischen Weltkirche einen weiteren Höhepunkt gefunden. Die Wahl zum nächsten Papst mag man indes nahezu auschließen. Dass jedoch immer wieder mit Müller die Semantik des Inquisitorischen verwandt wird, ist historisch betrachtet unredlich.   

Dialektik & Kontrapunkt:

https://www.die-tagespost.de/kirche/aktuell/gerhard-kardinal-mueller-wird-am-silvestertag-75-jahre-alt-art-234684

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Hans Maier, ehemaliger Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken: "Wer als Bischof nicht integriert, der ist fehl am Platz ... Ein anregender Gesprächspartner, keine Frage. Aber nicht jeder Universitätsgelehrte ist für ein öffentliches Amt in der Kirche geeignet. Das zeigen die bisherigen Erfahrungen in Regensburg, die auch den Ruf des Gelehrten Müller beschädigen. ... Offensichtlich hat er ein Amtsverständnis, das eigenständige apostolische Tätigkeiten und Mitwirkungsrechte von Klerikern und Laien ausschließt. Zum anderen finde ich in den bisherigen Konflikten ein bemerkenswertes Maß von Absolutheit und Humorlosigkeit. Es wird die geringste Abweichung, die geringste verbale Ausschweifung vom Bischof zu einem Beweis dafür gemacht, dass sich die Menschen bereits außerhalb der Kirche befinden. Statt den Dialog mit Kritikern zu suchen, führt er seit Monaten einen Kampf um Positionen und Begriffe. Ich habe immer wieder versucht, hier zu vermitteln und dem Bischof auch privat Briefe geschrieben."  mehr      

Lectio brevior: "In die Jubelarien zur Ernennung von Bischof Gerhard Ludwig Müller zum Präfekten der Kongregation für die Glaubenslehre mischen sich nicht nur kakophonische Trillerpfeifen aus dem Lager der Piusbrüder. Auch weniger extreme Kreise wechseln zumindest für einige Takte in die Moll-Tonart. Denn die Biographie des Neuernannten weist ein Kennzeichen auf, das manche als Makel deuten: Er ist Schüler von Karl Lehmann. Da dies ..."  mehr  

Bevor die nächsten römischen Der-Müller-machts-Eindrücke in die weitere Bewertung miteinfließen können, hat sich auch schon wieder das Prinzip Hoffnung der reformwilligen Getauften und Gefirmten gemeldet. Wie kann man aber allen Ernstes glauben, Müllers persönliche Beziehung zur Befreiungstheologie, sein vermutlich outendes Casting im sozial alternativen Habitus (Er geht also entgegen vieler Regensburger Mutmaßungen doch nicht mit der Mitra ins Bett!) oder die Distanz gegenüber den Pius-Trachten-Geschwistern würde in Rom alles irgendwie neu und vielleicht auch ganz anders werden lassen? Derlei Hoffnungen sind wohl ein gewaltiger Irrtum, denn dann hätten diese Voraussetzungen bereits auch sein schier unglaubliches und als autokratisch rezipiertes Regensburger Auftreten ändern oder auch nur in irgendeiner Weise mildern können. Hans Küngs Äußerung, dass man an dieser päpstlichen Berufung Müllers verzweifeln könne, spiegelt den sehr traurigen Teil der aktuellen kirchlichen Entwicklung wider. 

Primadonnen unter den Theologen?   

Und so kann die Katze auch das Mausen nicht sein lassen. In einem der ersten römischen Interviews spricht der Rahner-Enkelschüler Müller über die Distinktionen der Theologen auf dem Terrain einer statisch begriffenen Offenbarung:  

"Wenn man selbst aus der Professorenschaft kommt, weiß man natürlich auch, dass es da 'Primadonnen' gibt, bei denen nicht immer das Fachliche im Mittelpunkt steht. Aber das ist eben auch meine Aufgabe, das Fachliche vom Persönlichen ..."  mehr

Nur nebenbei: Welche Theologen hatte er bei dieser Äußerung vor Augen? Um einmal in der Müller-Diktion zu verbleiben: War nicht vielleicht auch Karl Rahner eine Primadonna der sog. Modernisten? Und da ist auch schon wieder das Prinzip Hoffnung - allerdings äußert es Müller selbst: Er hat jetzt offensichtlich die Zuversicht, einen klaren und objektiven Blick zu besitzen. Gewiss konnte man diesen in Regensburg vermissen.   

Ein kleiner Exkurs zur Tuba episcopalis 8'

Die am 22.09.2009 durch Bischof Müller gesegnete Domorgel (Rieger Orgelbau - 80 Register - IV/P - 1,7 Millionen Euro zzgl. Kosten für Aufhängung, Aufzug und Gerüst etc.) war als höchstpersönliche Chefsache bekannt. Ungeachtet der Klangschönheit dieses Instrumentes und im Gegensatz zur offenbar skandalös finanzierten Speyerer Domorgel vermittelt dieses Projekt doch zumindest in Teilen auch einen etwas bitteren Beigeschmack, der mit den Worten des Paderborner Organisten Peter Ewers gut ausgedrückt wird: 

"... Zur Suggestivkraft des katholischen Kults trägt die Orgel einen großen Teil bei. Kann man sich einen feierlichen Einzug der Kirchenführer in ihren Amtstrachten ohne majestätisches, brausendes Orgelspiel vorstellen? Sie wirkten lächerlich. Auf subtile Weise stabilisiert die Orgel unfreiwillig auch das bestehende Herrschaftssystem - leider! ..."  Quelle      

Ja, in der Tat: Kirchenmusiker werden in diesem Zusammenhang zu machterhaltenden Dienstleistern, um bitteschön nicht noch ganz andere Begrifflichkeiten verwenden zu müssen. Ihre Arbeit zeichnet sich durch eine traurige Ambivalenz aus: Einerseits schenken sie den Anwesenden "beseelte" Artikulations- und Kontemplationsmöglichkeiten, andererseits wirken sie in einem wohlorganisierten Hofstaat mit, der die repräsentierten Strukturen in einer barock wirkenden Gesamtshow samt Tremendum et fascinosum lebendig und unangreifbar erscheinen lässt.

Dass sich vieles davon ohnehin nicht in direktester Linie auf den lieben Gott zurückführen lässt oder de facto nur noch im Organigramm des Generalvikariats besteht, ist ein noch ganz anderer Diskurs. Diese Brisanz ist insbesondere durch das deutsche Kirchensteuersystem gegeben, da es Projekte finanzieren kann, die de facto gar nicht mehr lebensfähig sind. 

Innerkirchliche Konflikte auf ekklesiologischem Terrain

Hinterfragt man innerkirchlich virulente Probleme und nicht nur diejenigen à la Müller zu Regensburg, so ist festzustellen, dass sie sich alle letztlich im Sektor des Ekklesiologischen befinden. Mit anderen Worten: Du bekommst gehörig etwas auf die Mütze, wenn du kirchliche Autorität auch nur in Nuancen infrage stellst! Und hier erklärt sich beispielsweise auch der Streit Müller versus Pius-Geschwister-Sekte recht eindeutig, denn diese pflegte das Prinzip Ungehorsam schon ein klein wenig früher als beispielsweise die österreichische Pfarrer-Initiative.                                    

Conclusio                                                                           

Leider fügt sich die Empfindung einer besonderen Herrschaftsattitüde des genannten Bischofs mitsamt der "Possen wie die kostspielige Um- und Höhersetzung seines Bischofssitzes im Regensburger Dom, angebliche Kosten: zehntausende Euro" (taz - 23.02.2009) in ein als Freilichtmuseum abdriftendes kirchliches Gesamtbild ein, das sich in seiner Gesamtaussage immer weniger dem Wanderprediger Jesus von Nazareth zuschreiben lässt.  (mpk - 11.07.2012) 

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Weitere Stimmen zur Causa Müller  

Hans Küng: "Als Präfekt der Glaubenskongregation ist dieser bornierte Scharfmacher fehl am Platz. Wem an einer zeitgemäßen Verkündigung der christlichen Botschaft gelegen ist, der kann an einer solchen Entscheidung verzweifeln. Konflikte in der von Skandalen geschüttelten Kurie und römischen Kirche sind mit Müllers Berufung vorprogrammiert."  

Aus einem Kirchenmusiker-Forum: "Ich persönlich kenne einige "Regensburger", darunter auch Priester, Seminaristen, liberale Theologiestudenten und Laien, und das von ihnen gezeichnete Bild ist insgesamt sehr ambivalent. Einerseits können sie mit manchen Schritten Müllers bzgl. seines Stils der Bistumsleitung nicht konform gehen (besonders im Zusammenhang mit den oben schon erwähnten Fällen), andererseits wird Müller als Bischof, der zuhören kann und über ein gewisses intellektuelles Format verfügt, bei dem unter den deutschen Bischöfen nur Lehmann mithalten kann, geschätzt. Was ihn für die Aufgabe als Präfekt der Glaubenskongregation (und damit als "Wächter/Hüter" des kath. Glaubens) prädestiniert ist zweifelsohne seine universitäre Reputation und sein Wissen im Bereich der Dogmatik, der Glaubenslehre. Sein Handbuch der katholischen Dogmatik ist inzwischen in unzählige Sprachen übersetzt worden und zählt weltweit zu den Standardwerken. Beim Posten des Präfekten der Glaubenskongregation geht ja auch nicht um Personalentscheidungen, der Stab seiner Mitarbeiter ist im Vergleich zum "Großunternehmen" Bistum Regensburg verschwindend gering und Professoren kann er auch dann erst die "Hölle heiß machen," wenn von den Ortskirchen ein Lehrbeanstandungsverfahren in Rom beantragt wird. Beachtet man dies, ist die Berufung Müllers nach Rom zum Präfekten der Glaubenskongregation ein weiser Schachzug und keinesfalls eine "desaströs falsche Personalentscheidung." Abgesehen davon kann er so in Regensburg keinen Schaden mehr anrichten ..." 

Hans Trimpl: "Als der Kardinal Joseph Ratzinger damals von München nach Rom berufen wurde, hat ein Teil des Klerus der Diözese nach biblischer Art gesagt: Der Herr hat ihn gegeben, der Herr hat ihn genommen, der Name des Herrn sei gepriesen. So ähnlich darf man das im Falle von Bischof Gerhard Ludwig Müller auch sehen. Entgegen mancher öffentlichen Beteuerung herrschte unter den Priestern der Diözese Regensburg Angst vor diesem Bischof."  Aktionskreis Regensburg   

Thomas Seiterich: "... Gerhard Ludwig Müller, den dröhnenden Bischof mit herrscherlicher Attitüde, sind die Regensburger Katholiken nach einem Jahrzehnt voll rechtem Kirchenchaos endlich los. Nun macht der angeschlagene Papst Benedikt XVI. Müller zum Chef der römischen Glaubenskongregation. Sie ist den übrigen Behörden des Vatikans übergeordnet und besitzt in fast sämtlichen Fragen päpstlicher Politik und Lehre Mitsprachepflicht. Der matt wirkende Papst zeigt damit Entscheidungskraft. ... Augenmaß dieser Art (seines Amtsvorgängers Levada; Anm. d. Red.) hat der Inquisitor Gerhard Ludwig Müller in seinen Regensburger Bischofsjahren nicht an den Tag gelegt. Im Gegenteil. Müller verhedderte sich im Klein-Klein von Auseinandersetzungen. Die trug der Streithansel-Bischof 
nicht selten vor den deutschen Gerichten aus. Die Beseitigung der Pfarrgemeinderäte und die Gängelung der Regensburger Theologieprofessoren waren ganz besonders wichtige Anliegen für Müller, der im Kontakt mit Nichttheologen, also mit ganz normalen Leuten von heute, eher gehemmt auftritt. ..." (Publik-Forum vom 06.07.2012)  

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Bildhinweise: "Gänseprediger-Brunnen" im Regensburger Bischofshof (Joseph Michael Neustifter 1980); Domorgel Regensburg (Rieger Orgelbau - 80 IV/P)                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            

                                                                                                                         

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