Journal für Orgel, Musica Sacra und Kirche

                   ISSN 2509-7601

                                                                                                                                       

                                                                                               Tacheles: CD der Bunk-Orgel als klassisches Eigentor?               

Jetzt besteht kein Zweifel mehr: Der Deal mit Gelsenkirchen ist geplatzt - nun soll eine Neue her. Vielleicht war es auch etwas kühn, lediglich 200.000 € für die ehemalige Gelsenkirchener Walcker-Orgel des Hans-Sachs-Hauses zu bieten. (WAZ vom 03.07.2008)

Drei Dinge fallen indes auf:

1. Die neue Orgel soll "romantisch" klingen.

2. Es werden Sponsoren gesucht.

3. Die Erhaltung der vorhandenen Bunk-Orgel wird nicht mehr in Erwägung gezogen.                                                                                                                                                                                                                                                  Nr. 1 klingt mehr als mutlos. Offensichtlich sind hier innovative Schübe kaum bis gar nicht zu erwarten. Sowohl die im Krieg zerstörte als auch die jetzige Orgel (Walcker 1958) waren jeweils zur Enstehungszeit innovativ und keineswegs rückwärts gewandt. Der Zenit der Romantikwelle ist 2008 längst überschritten und mancher Orgelbauer wartet auf kreative Impulse jenseits der bloßen Prospektgestaltung. Allerdings stellt sich die fundamentale Frage, ob eine neue Orgel notwendig ist.

Nr. 2 besitzt keine Problemdichte, wenn man es humorvoll nimmt. In Dortmund kann sicherlich ähnlich wie im Speyerer Dom verfahren werden:

Für die komplette Finanzierung der neuen Orgel konnte die "Europäische Stiftung Kaiserdom zu Speyer" bereits vor zehn Jahren einen Sponsor gewinnen: Drei Mitglieder der Unternehmerfamilie Quandt in Bad Homburg, Johanna Quandt mit ihren Kindern Susanne und Stefan, hatten für die neue Orgel drei Millionen Mark (heute mit Zinsen 1,8 Millionen Euro) zur Verfügung gestellt. ...“  mehr 

Wenn sich keine umstrittene Unternehmerfamilie finden lässt, könnte immer noch eine bekannte Dortmunder Brauerei konsultiert werden. Allerdings stellt sich auch hier die fundamentale Frage, ob eine neue Orgel überhaupt notwendig ist.

Nr. 3 stellt bei aller Sympathie für den hypertrophen deutschen Orgelbau ein systemisches Problem dar: Zu schnell werden hierzulande neue Orgeln gebaut - ein Umstand, der beispielsweise den Niederländern völlig fremd ist. Welcher Landsmann war noch einmal Gerard Bunk? Wie wäre es mit einem neutralen Zweitgutachten angesichts dieser Investitionssumme und der Tatsache, dass das jetzige Bunk-Instrument - auch bei einem Einbezug alten Materials - unwiederbringlich verlorenginge? Oder sollte es gar verkauft werden? Die Mythen über widrige Nachkriegsmaterialien und deren - sofern vorhanden - unwirtschaftliche Beseitigung muten grotesk an. Offensichtlich wurden weder die Kosten für die laufende Instandhaltung noch ein Kostenvoranschlag für eine notwendige und nachhaltige Instandsetzung bislang kommuniziert. Besonders ärgerlich wäre es, wenn der momentane Zustand des Instrumentes mittelbar auf einen sog. Wartungsstau zurückzuführen wäre.                                                                                                                                                                               "... Aufgrund der minderwertigen Materialien der Nachkriegszeit und diverser technischer Fehlkonstruktionen und Mängel befindet sich die Walcker-Orgel von 1958 heute – auch  nach einer technischen Instandsetzung und Hinzufügung eines neuen Spieltisches mit Setzeranlage im Jahre 1996 – in einem zwar spielbaren, doch klanglich höchst unbefriedigenden Zustand. ..." (aus: http://www.sanktreinoldi.de/orgelprojekte.php)

Besser können die Motive gar nicht auf den Punkt gebracht werden. Die absolut gelungene und hochmusikalische aktuelle CD der Dortmunder Orgel (Label Motette) beweist jedoch genau das Gegenteil und dürfte somit ein klassisches Eigentor sein. Sie dokumentiert jene guten Klangeindrücke, die man als Organist und Konzertbesucher in St. Reinoldi unweigerlich gewinnen muss.

Somit stellt sich die fundamentale Frage, ob eine neue Orgel überhaupt notwendig ist, kaum noch.  (mpk)                                                                                                                                                                                                                         

                                                                                                                                                                                                                                                              

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