Journal für Orgel, Musica Sacra und Kirche

                   ISSN 2509-7601

  

                                                                          

         

                                                                                                            

Bürgerliche Religion: Bischöfe und peinliche Angeber-Dienstwagen 

Ein paar Gedanken zum stahlgewordenen Klerikalismus

Die Automobile der deutschen Bischöfe stellen eine recht heikle Angelegenheit dar. Und deshalb sei diese Causa auch hier mit der gebotenen Vorsicht dargestellt - und das nicht erst seit Margot Käßmann und ihrem VW-Phaeton-Desaster. Aber lassen wir den heftigen Sturz des mythologisch Pate stehenden Phaethon mit dem von Helios ausgeliehenen Sonnenwagen einmal beiseite. Diesen semantischen Unfall haben wohl weder Volkswagen noch zahlreiche Redakteure oder manche Endverbraucher verstanden.  

Es stellt sich indes die Frage: Muss es denn sein, dass ein satt staatsalimentierter Funktionär in Christo, der auf den mehr als verwaschenen Spuren eines Wanderpredigers (Name: Jesus von Nazareth) zu wandeln sich bemüht, in einem demonstrativ hochwertig wirkenden Kraftfahrzeug der Premiumklasse anreist, um Gottesdienste mit seinen Schwestern und Brüdern zu feiern?

Retrospektiven klerikaler Art    

Szene 1: Weihe der neuen Christus-König-Kirche zu Hamm-Bockum-Hövel im Jahre des Herrn 1977: Bischof Heinrich Tenhumberg reist verspätet an, und zwar in einem hellfarbenen VW Golf.

Szene 2: Ein paar Jahre später berichtet der Pfarrer einer Nachbargemeinde, dass er sich von seinem Kaplan trennen wolle, da dieser - nach einem Audi 100 - einen Mercedes zu bestellen gedenke.  

Szene 3: Münster - zwischen Fürstenberghaus und Bischofssitz - Ende 80er Jahre des letzten Jahrhunderts: Eine dunkelgraue BMW-Limousine der 7er-Reihe wird inmitten des Gewusels aus Passanten und Radfahrern recht rasant zum Bischofshaus gesteuert. Der Fahrer hätte mit diesem Fahrmanöver keine Fahrprüfung bestanden. Ein Stadtführer erklärt einer staunenden Touristengruppe, dass in dem Auto "einer der mächtigsten Männer der deutschen Kirche" gesessen habe. Es war Bischof Reinhard Lettmann gemeint.

Kümmerlich zündende Nebelkerzen rund um die Premiumklasse     

Die Zeiten haben sich indes noch mehr geändert, die Standards sind andere geworden, die Arbeitswelt hat sich immens verdichtet. Ohne Office-Arbeit im Fond eines Autos ließe sich heute der Alltag eines Bischofs nicht mehr handhaben. Lange Autofahrten gehören zum Alltag, und da soll es sicherlich kommod zugehen. Gewiss, gewiss. Das mag man den in der Regeln älteren Herren auch ohne Zweifel zugestehen. Wer wollte denn schon wirklich mit einem Bischof tauschen wollen? Und wer wollte ihn gar in jesuanischer Tradition auf einem Esel reiten lassen? 

Die immer wieder zu findenden Argumentsversuche "Wir Bischöfe brauchen auf unseren Reisen viel Platz zum Arbeiten", "Damit sind wir lange unterwegs" oder gar "Unser Bischof hat sehr lange Beine" sind gleichwohl kümmerlich zündende Nebelkerzen: Kleinbusse oder Vans wären zweckdienlicher und angenehmer, auch wenn sie nicht allesamt ein Wunder hinsichtlich der gepredigten Bewahrung von Schöpfung darstellen. Ein Nickerchen wäre bei neigbaren Rücklehnen und viel Fußraum sogar eher zu ermöglichen als in gefühlten Bonzen-Kisten. Man hätte einen Schreibtisch und gar die Gelegenheit, mit anderen eine kleine Konferenz abzuhalten. 

Temperantia, Julius Kardinal Döpfner und die festgestellte Angeberei   

Temperantia, die Kardinaltugend der Mäßigung, ja der Besonnenheit wäre in Sachen bischöflichen Transfers zuweilen ein guter Ratgeber. Denn es ist zu bedenken, welches Image und welche Werte zum Beispiel die oben zu sehende Oberklasse-Limousine der Marke BMW des Bischofs von Münster transportiert. Laut Angaben der DHU handelt es sich um einen "BMW 530d xDrive Gran Turismo (Diesel)". Das Gefährt dürfte wohl nicht nur eine Leistungskraft von 258 PS entwickeln, es kann auch eine Höchstgeschwindigkeit von 242 km/h an den Tag legen. Mit einigen häufig als notwendig betrachteten Sonderausstattungen hält man sich vermutlich schnell im Preissegment von etwa 80.000 Euro und auch weitaus mehr auf. Bischof Genn ärgert es, wie zu lesen ist, wenn man sich über seinen Dienstwagen aufregt.

Jeder in unserer Gesellschaft kann eine derartige Karosse milieuspezifisch dekodieren. Es ist es völlig drittrangig, ob sie geleast oder gekauft wird, denn bischöfliche Autos dieser Couleur haben einen höchst deutlichen Signalwert. Sie erinnern an eine lustige und zugleich tiefgründige Begebenheit mit Julius Kardinal Döpfner, der einmal einen Kindergarten besucht haben soll und dort zunächst seinen Beruf erraten lassen wollte. Dazu hob er seine Hand mit dem Bischofsring in die Höhe und fragte in die Kinderrunde: Wer ist denn so einer, der einen solchen Ring trägt? Ein Junge rief unvermittelt: Ein Angeber!   

Die Protzerei hat auch noch einen anderen Preis: Die DHU prämierte das Auto von Bischof Dr. Felix Genn offenbar wegen des auffällig hohen CO2-Ausstoßes mit einer Roten Karte. Leider war er nicht der einzige Bischof, der in dieser Hinsicht negativ zertifiziert wurde. Gleichwohl mögen die wenigen Bischöfe auffallen, die auch öffentliche Verkehrsmittel oder das Fahrrad nutzen. 

Machtphantasien & Automobilwerbung durch VIP-Rabatte?    

Die Umweltverträglichkeit ist die eine Seite. Die andere ist die rationale Verträglichkeit von Anspruch und Wirklichkeit. Da muss man gar nicht theologisch argumentieren und vielleicht gar das Neue Testament steinbruchartig nutzen: Die Botschaften passen schlichtweg nicht zusammen. 

Die bischöflichen Limousinen transportieren die Werteskala des gesellschaftlich belohnten Einflusses: Wer potent ist und wichtig zu sein scheint, der darf nicht nur ein derartiges Gefährt nutzen, ja er muss es sogar, um weiterhin erfolgreich zu sein. Diese sozialen Mätzchen spielen die nahezu staatskirchlichen Funktionäre einer systemstabilisierenden Weltanschauung ohne spürbare Widerständigkeit mit. Offenbar geht es bei der demonstrativen Autoauswahl der klerikalen Top-Manager um Machtphantasien. Das soziale Renomee soll ein sichtbares Zeichen erhalten. 

Die vorgetragenen Schutzbehauptungen, dass doch die Leasing-Raten bestimmter Marken erstaunlich niedrig oder die VIP-Rabatte (man spricht sogar von über 80%) bestechend hoch seien, erwecken eher den subjektiven Eindruck, dass sich die geistlichen Würdenträger von der Automobilbranche instrumentalisieren lassen. Wenn man folgerichtig sogar jede Visitation oder Firmreise als Kfz-Promotion-Trip werten wollte, so müsste doch eines gesehen werden: Die Rechnung geht allenfalls für die Konzerne auf. Für die Bischöfe wird dieser öffentliche Stil zur Belastungsprobe in Sachen Glaubwürdigkeit.    

Römisches Fremdschämen: Wenn Christus das sehen würde 

Viele Gläubige empfinden das automobile Bischofsauftreten mittlerweile als unanständig - und das nicht erst seit Franz-Peter Tebartz-van Elst zu Limburg, der sich elaboriert im Dickicht des vermeintlich Anzustrebenden und Geltenden verfing. Diese Art Aufmüpfigkeit von Gläubigen hat eine lange Tradition. So gab es in Rom beim Anblick päpstlicher Luxuslimousinen immer schon den Auspruch "Wenn Christus das sehen würde". Das "Se Cristo vedesse" bezog sich nämlich auf das vatikanische Kfz-Kennzeichen SCV (Stato della Città dell Vaticano). 

Seit Papst Franziskus spricht man von den sogenannten Wendehälsen im deutschen Episkopat. Dem mag man entgegenhalten, dass die Bischofskarossen zumindest ein gewisses Stehvermögen der fürstbischöflichen Art signalisieren: Man pflegt Downgrade zu predigen und fährt demonstrativ Upperclass. Mit anderen und diözesan recht unabhängigen Worten:

Liebe Bischöfe, sind Euch Eure Autos nicht irgendwie megapeinlich?  (mpk/2014)


                                                                                                                         

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