Journal für Orgel, Musica Sacra und Kirche

                   ISSN 2509-7601   

                                                                          

                                                                                                                                                         

Die Treibjagd-Mär von der Limburger Einzeltäterschaft   

Franz-Peter Tebartz-van Elst, ehemaliger Bischof von Limburg, hatte sich mitsamt seiner klerikalen Selbstbezüglichkeit bereits sehr früh ins längst begonnene Aus manövriert. So ist er das tätige Opfer einer besonderen Priestermentalität deutscher Prägung geworden. Auch kirchenferne Betrachter können nun das archetypische Bild vom Druiden und dem geheimnisvollen Schatz mit Hilfe einer Flut von Nachrichten abzuarbeiten versuchen.   

Tebartz-van Elsts letztlich fehlende Fortune bestand auch im Spannungsfeld der erlebten Diskontinuität: Sein Vorgänger Franz Kamphaus konnte wohl kaum kontrastreicher sein als Papst Franziskus im Vergleich zu B 16. So fällt auf, dass ihm zu Beginn seiner Limburger Jahre der stärkste Wind aus den eigenen Priesterreihen entgegenwehte. Der Konflikt erschien zunächst als restkirchlicher Lagerkampf, der sich medial massiv verselbständigt hat und aufgegriffen wurde. De facto ist er das typische Geschehen einer starken kirchlichen Umbruchsituation.  

Mitverantwortung von Generalvikar, Verwaltungsrat und Domkapitel  

Konkret fragt man sich jedoch angesichts der bereits seit Jahren nicht mehr kommunizierbaren Baukosten für den bischöflichen Wohnsitz, welche Mitverantwortlichkeiten denn vorliegen. Der seltsam ausgeblendete und wohl auch untergetauchte Generalvikar, der Vermögensverwaltungsrat, das offenbar widerstandslos entmachtete Domkapitel und verschiedene (auch angestellte) Ausführende sind hier gefragt. Wenn sie über Jahre hin keinerlei Indizien wahrgenommen haben wollen, müssen sie sich mit dem Vorwurf professioneller Naivität, fehlender Courage oder auffälliger Vetternwirtschaft auseinandersetzen.

Warum begehrte allein der Vermögensverwaltungsrat gegen das durch den Bischof geschaffene System erst nachhaltig auf, als der öffentliche Druck dieses längst erforderte? Es ist irreführend, à la FAZ, Spiegel & Co., die einen guten Journalismus zuweilen ganz alternativ definieren, die systemischen Abgründe der in Deutschland finanzierten Kirche vollumfänglich auf Tebartz-van Elst zu projizieren.

"Der Verwaltungsrat teilte mit, man sei hinters Licht geführt worden; dieses Ausmaß der Kosten sei bislang völlig unbekannt gewesen. Doch Transparenz und Mitbestimmung waren auch vor Tebartz nicht unbedingt Markenzeichen des bischöflichen Verwaltungsapparats in Limburg. Ob es in anderen deutschen Bistümern da sehr viel besser aussieht? Wo Bischöfe mit gutem Image amtieren, schaut bislang keiner so ganz genau hin."  (Britta Baas im Newsletter von publik-forum.de/09.10.2013)

Drewermanns besondere Verteidigung  

Eugen Drewermanns Verteidigung von Franz-Peter Tebartz-van Elst verwundert zunächst und bringt es doch auf den Punkt: Das System sei doch in Wirklichkeit krank, die Kirche als der größte Großgrundbesitzer sei der eigentliche Skandal. Die Bischöfe in Köln und München lebten auf weit größerem Fuß. Die "Scheinheiligkeit seiner Amtskollegen" werde gar nicht debattiert. Im Übrigen fahre er selbst oft erster Klasse, um dann auch gut arbeiten zu können. 

"Tenor der aktuellen Darstellung in den Medien: "Ein Irrer und/oder Betrüger hat über Jahre klammheimlich 20 Millionen Euro aus Eitelkeit zu seinem Privatvergnügen auf den Kopf gehauen" Aha. Und keiner hat es gemerkt und was gesagt? Was ist mit den ganzen geistig gesunden und wahrhaftigen Mitgliedern des Limburger Vermögensverwaltungsrates? Worüber haben sich diese Leute jahrelang in ihren Sitzungen unterhalten? Zur Zeit wird in den Medien - und von uns - eine etwas widerwärtige Jagd auf einen Einzelnen veranstaltet ... Das Problem sind nicht einzelne (angebliche) Lügner und Betrüger, sondern die Strukturen." (aus einer Wikipedia-Artikeldiskussion) 

Abgängiges deutsches Kirchensystem   

Anderen staatsalimentierten Bischöfen könnte ein Limburger Ungemach ebenso zuteilwerden, sie vermeiden jedoch weitgehend Fettnäpfchen wie das allzu aktive Vorantreiben der Einsicht in die dringliche Notwendigkeit einer Bischofswahl unter Einbezug der Gläubigen.

Über die bekannte 40-Millionen-Euro-Ausgabe im Bistum Rottenburg-Stuttgart für Ordinariat und Bischofshaus oder die wohl 9 Millionen Euro für den Kauf eines Hauses in Rom durch die Erzdözese München-Freising mögen beispielsweise nur wenige sprechen, wahrscheinlich auch deshalb, weil die Angelegenheit deutlich weniger personalisiert ist und die Widersacher in der Anzahl weitaus geringer sind. 

Der größtmögliche bischöfliche Fettnapf heißt derzeit: Diskussion über die wirkliche Trennung von Kirche und Staat - oder noch konkreter: die voraussehbaren Ergebnisse einer Debatte über die staatliche Alimentierung von Kirche. Eine noch größere Aufmerksamkeit auf den diözesanen Doppelhaushalt von Kirchensteuer und bischöflichem Stuhl kann die deutsche Luxuskirche auf ihrem klärenden Rückzugsgefecht keineswegs gebrauchen, sie hat sie bislang kunstvoll vermeiden können. Durch die höchst unklug angezettelte Limburger Medienkampagne – und mit diesem Stichwort haben Kardinal Meisner und Erzbischof Müller durchaus Recht – ist aber genau das geschehen. Hier steht das intransparente deutsche Kirchenfinanzsystem am Pranger und viele halten dieses für gerechtfertigt.

Kein Wunder, dass man nun ein klein wenig in die Offensive ging. Das Bistum Essen veröffentlichte das Vermögen des bischöflichen Stuhls als erste deutsche Diözese. Allerdings ist dieses Bistum recht jung und insofern im Gegensatz zu anderen sehr unvermögend. Bei den andernorts nachfolgenden Vermögensinformationen sollte man jedoch grundsätzlich auf der Hut sein, da oftmals der bischöfliche Grund- und Inmobilienbesitz nicht eingepreist wird. Dieser ist beträchtlich.

Zeit der Wendehälse

Die gefühlt ängstlich-heuchlerischen Distanzierungen mancher Kollegen und Mitverantwortlichen fallen in der Limburger Causa auf. Dem einen mag man das alles abnehmen, dem anderen keineswegs. Selbstverständlich gibt es klerikalistische Potentaten mit fürstbischöflicher Neigung auf jedweder Weihestufe auch andernorts und das zuhauf. Beflissene Sekundanten preußischer Couleur ebenso.

Einige davon sind aber in der Regel klug: Sie satteln hin und wieder ein anderes Pferd und zeichnen sich durch eine exorbitante Flexibilität mit nur sehr geringer Latenz aus. Wir lernen: Es gibt eine Zeit der katholischen Wendehälse. So hat alles seine Zeit. 

(© mpk; Fotos: Moguntiner/Cirdan - Wikimedia.Commons.org) 

                                                                                                                 

                                                                                                                         

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