Journal für Orgel, Musica Sacra und Kirche

                   ISSN 2509-7601


Der Teufelsorgler - Mein Leben im Tutti

Kuriositäten, Mysterien und Memoiren des Orgelbaumeisters Michael M. Raithelhuber

Leseprobe

Nun war der Groschen für das Erlernen des Berufsbildes Orgel- und Harmoniumbauer gefallen. Als erstes hatte ich mich am Bodensee in Lindau bei Winfried Albiez beworben, der zwölf Eleven kommen ließ, um sich ein Bild der jeweiligen Befähigung und Begabung zu machen. Natürlich half erst einmal Vitamin B zur Vorstellung, denn mein Vater und W.A. waren alte befreundete Kollegen. Nichtsdestotrotz kam ich mit der Bahn an, wurde freundlicherweise von einem Mitarbeiter der Firma per Auto abgeholt und bekam einen Arbeitsplatz zugewiesen. Dort erklärte mir der Werkstattmeister, was zu tun sei, - eine Holzpfeife bauen. Ich vierteilte mit der Gestellsäge ein Fichtenbrett, musste diese Pfeifenbrettchen von Hand aushobeln, die Seitenbretter mit vorgefertigtem Kern und Blindkern verleimen. Im Anschluss daran das Labium am Deckelbrett anbringen, den verleimten Rohling abrichten, Deckel und Boden verleimen. Nun wurde der Stöpsel gerichtet, da es eine gedeckte Pfeife werden sollte. Nach dem Abbinden des Holzleims wurde die Pfeife verputzt, auf Maß abgelängt, die Kernspalte angebracht, der Fuß eingesetzt und der Stöpsel mit Lederdichtung eingepasst. Meine erste Holzpfeife des Lebens war fertig, sauber verarbeitet und sauber im Klang. Zu dieser Vorstellungsarbeit hatten wir Prüflinge zwei Tage Zeit. Mir gegenüber lernte ich meinen späteren Freund und Kollegen kennen, Marcus K., mit dem ich zwei Orgeln des Lindauer Orgelbaumeisters anschaute. Wir konnten beide Orgel spielen und verstanden uns ziemlich schnell. Doch nach der Vorstellung dort sehen wir uns erst später im Beruf wieder. Doch davon an anderer Stelle. Letztendlich kam ich zwecks Zugverbindung später zum Probearbeiten und wurde früher fertig, ich war also von Anfang an kein ganz langsamer Mensch bezüglich des Arbeitens im späteren Beruf. Nun bekam ich positiven Bescheid, ich war einer der 12 Glückseeligen, der zur Ausbildung kommen durfte. Ich freute mich riesig, denn über meinen Patenonkel, der Lindauer war, erhoffte ich mir Mithilfe bei der Wohnungsbeschaffung. Vorab sollte ich auf die einjährige Holzfachschule, um noch mehr Einblick in das Holz verarbeitende Gewerbe zu bekommen.

Die Holzfachschule in Stuttgart-Feuerbach absolvierte ich mit viel Freude. Auch hier lief mir das Handwerkliche gut von der Hand. Die Grundzüge der Holzverarbeitung mit den entsprechenden Werkzeugen und Maschinen wurden vermittelt und erlernt. Mit dem praktischen Lehrer Herrn Wolz entwickelte ich, da ich auch hier nicht zu den Langsamsten gehörte, neue Werkstücke auch in der Gruppe. Ein kleines Schnapsschränkchen in Kiefernholz, ein Apothekenschränkchen in Erlenholz wurden nebenher gezeichnet und produziert. Der Höhepunkt war das vorgegebene Abschlussprüfungsstück, ein Schachtisch aus Kiefer mit zwei gezinkten Schubladenkästen und furniertem Wendebrett, vorne Schachbrett, hinten Mühlebrett oder freies Furnierdekor. Diesen Tisch habe ich meinem Bruder Klaus und dessen Frau zur Hochzeit geschenkt. Als Klassensprecher organisierte ich eine Klassenfahrt, von der der Klassenlehrer Herr Sp. noch schwärmte, als ich ihn dreizehn Jahre später 1998 zur Einweihung meines Meisterstücks einlud und ihn wieder sah. Wir fuhren nach Giengen an der Brenz, wo wir die Orgelbaufirma Link und die Pfeifenbaufirma Bier besuchten, bei der ich kurz nach der einjährigen Holzfachschule ein dreimonatiges Praktikum machen durfte. Für die anderen angehenden Schreiner war dies ein toller Einblick in den Orgelbau, der ja sehr viel mit Holz arbeitet. Die Krönung war ein kleines Orgelkonzert meinerseits auf der historischen Link-Orgel der Stadtkirche in Giengen an der Brenz, die heutige zu den berühmten Orgeldenkmählern der Ro-mantik in Süddeutschland zählt. Das Abschlussessen im Gasthaus „Zur Kanne“ war auch sehr gut und kam bei den Klassenkameraden an. Vor allem die sauren Kutteln (Pansen), des Schwaben Leibspeise, waren hervorragend. Mit etwas Wehmut löste sich der Klassenverband nach der einjährigen Holzfachschule auf.  Ab und zu besuchte ich noch den praktischen Lehrer Herrn W. und auch Herrn Sp., dann verlor sich leider der Kontakt. Herrn Sp. traf ich später wie gesagt, zur Weihe meines Meisterstücks 1998 in Althütte wieder. Mit zwei Klassenkameraden unternahmen wir privat einen Ausflug ins Elsass. In Marmoutier gelang es mir, den Pfarrer zu überreden, die Andreas Silbermann Orgel zu spielen. Er verlangte ein Bakschisch von 20 DM. Nachdem ich drei Stunden gespielt hatte und unten in der Kirche diverse Omnibusfüllungen durchgeschleust wurden, fragte der Pfarrer, ob ich noch länger spielen wollte, es käme noch eine Führung. Ich sagte zu, hätte aber an dieser Stelle meinen Obolus zurückverlangen sollen. Aber ich bin ja großzügig.

So legte ich 1985 die C-Prüfung als Abschluss meiner kirchenmusikalischen Ausbildung im Dekanat Zuffenhausen bei Raimund B., dem dortigen Kantor an der Pauluskirche ab. Somit war die musikalische Ausbildung wenigstens was das Orgelspielen angeht, abgeschlossen. Während des Jahres 1985 lerne ich nun auch Prof. Helmut Bornefeld kennen, der als Komponist, Kirchenmusiker und kreativer Orgelsachverständiger mit sehr eigenwilligen, spröden, aber interessanten Ideen in der süddeutschen Orgelszene einen Namen hatte. Nach mehreren Kaffeenachmittagen überzeugt mich sein Farben - und Grundstimmenideal und der Registerpluralismus, will sagen die Multifunktionalität von manchen Registern. Vom C-Kurs her hatten wir eine interessante Orgeltour mit von ihm mitgestalteten Instrumenten. Zu seinem achtzigsten Geburtstag wurde ich eingeladen und saß in fröhlicher Runde auch neben meinem ehemaligen Orgellehrer KMD J. S. und dessen Frau gegenüber von Herrn Prof. Bornefeld, der den Kaffee mit einem eigenen Kanon eröffnete.

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https://www.bkz.de/kultur/ein-leben-fuer-die-koenigin-der-instrumente-125277.html

http://www.literaturmarkt.info/cms/front_content.php?idcat=57&idart=12120

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